Die immunmediierte hämolytische Anämie des Hundes

Die immunmediierte hämolytische Anämie des Hundes tritt in verschiedenen Formen auf. Die sowohl nach den betroffenen Immunglobulinen (IgG, IgM), wie nach weiteren Gegebenheiten in sogenannte Klassen unterschieden werden. Das Erkrankungsbild ist bei Hunden eindeutig auf eine B-Zell-Dysfunktion zurückzuführen.

Einteilung der immunmediierten hämolytischen Anämie

Sie werden in fünf Klassen unterteilt, basierend auf dem beteiligten Immunglobulin, der optimalen Temperatur, bei der die Autoantikörper reagieren, und der Art des hämolytischen Prozesses.

Die Erkrankung tritt eher bei weiblichen Tieren auf. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 4 bis 6 Jahren. Die Ursachen der primären hämolytischen Anämie sind unbekannt. Die bei betroffenen Hunden gebildeten Autoantikörper richten sich in erster Linie gegen Erythrozyten-Glykophorine, das Zytoskelettprotein Spectrin und das Membran-Anionenaustauschprotein CD233). Etwa ein Drittel der IMHA-Fälle bei Hunden tritt sekundär zu anderen Autoimmunerkrankungen wie systemischem Lupus erythematodes oder Autoimmunthrombozytopenie auf oder ist paraneoplastisch (also begleitend einer Tumorerkrankung). Der Ausbruch der Erkrankung kann häufig mit einer offensichtlichen Belastung des Immunsystemns wie einer Impfung, einer Viruserkrankung oder einem hormonellen Ungleichgewicht wie bei einer Trächtigkeit oder Pyometra (Gebärmutterentzündung) verbunden sein.

Es gibt einen eindeutigen genetischen Einfluss auf die Anfälligkeit für eine Anämie, wie die Kombination zwischen Rasse und bestimmten genetischen Varianten zeigen. Eine Veranlagung zur Entwicklung einer immunmediierten hämolytischen  Anämie besteht beispielsweise bei American und English Cocker Spaniels, Old English Sheepdogs, Miniatur- und Toy-Pudeln, Irish Settern, English Springer Spaniels, Deutschen Schäferhunden, Magyar Vizslas, Zwergdackeln und Zwergschnauzern.

Klinische Erscheinungen bei der Immunmediierten hämolytischen Anämie der Hunde

Die häufigste Erscheinungsform dieser Erkrankung bei Hunden ist eine sich langsam entwickelnde Anämie mit begleitenden Anzeichen eines Sauerstoffmangels. Blässe, Schwäche, Lethargie, Depression und schließlich Kollaps können von Fieber, Ikterus und Hepatosplenomegalie (also einer Vergrößerung von Leber und Milz) begleitet sein. Die Anämie kann mit Tachykardie, Anorexie, Erbrechen oder Diarrhö einhergehen. Diese Anzeichen hängen von der Geschwindigkeit des Ausbruchs der Krankheit, ihrem Schweregrad und dem genauen Mechanismus der Zerstörung der roten Blutkörperchen ab. Bei der Klasse-II-Krankheit können die roten Blutkörperchen durch intravaskuläre Hämolyse zerstört werden. Häufiger jedoch werden sie durch extravaskuläre Hämolyse (d. h. Phagozytose von antikörperbeschichteten Erythrozyten durch die Makrophagen, die die Sinusoide von Milz und Leber auskleiden) zerstört. Eine akut auftretende Erkrankung, die sich innerhalb weniger Tage entwickelt, ist mit einer schweren intravaskulären (innerhalb der Blutgefässe) Hämolyse verbunden.

Die Sterblichkeitsrate der Immunmediierten hämolytischen Anämie beim Hund beträgt 30 bis 50 %, selbst bei aggressiver Therapie. Viele Hunde überleben die erste hämolytische Krise nicht. Etwa 20 % bis 30 % der betroffenen Hunde können auch an einer Autoimmunthrombozytopenie leiden. Darüber hinaus bilden Hunde, die an immunmediierter hämolytischer Anämieerkrankt sind, häufig übermäßig viele extrazelluläre Neutrophilenfallen: Dies sind die sogenannten NETs (Netzwerke extrazellulärer Fasern, die primär aus der DNA neutrophiler Granulozyten bestehen). Die Tiere Zeigen daher erhebliche Mengen freier DNA in ihrem Blutkreislauf. Diese DNA hat das Potenzial, Thrombozyten zu aktivieren und Thrombosen zu fördern. Tatsächlich ist die Sterblichkeit bei der  Immunmediierten hämolytischen Anämiezu einem großen Teil auf diese thromboembolischen Komplikationen, einschließlich Lungenembolien, zurückzuführen.

Diagnose der Immunmediierten hämolytischen Anämie  beim Hund

Bei der primären Immunmediierten hämolytischen Anämie weisen die Tiere in der Regel eine erhebliche Anämie auf, mit einem gepackten Zellvolumen von weniger als 30 % bei Hunden und weniger als 20 % bei Katzen. Die Anämie ist hämolytisch (obwohl dies nicht immer offensichtlich zu sein scheint), und die betroffenen Hunde sind häufig hypoalbuminämisch mit Anzeichen einer Akutphasenreaktion und erhöhten Globulinen. Die Hämatologie spiegelt die schwere Anämie und in den meisten Fällen eine regenerative Reaktion des Knochenmarks wider. Sphärozyten werden in etwa 67 % der Fälle beobachtet. Sphärozyten sind kleine, runde Erythrozyten, denen ein zentraler blasser Bereich fehlt. Es handelt sich dabei um Erythrozyten, die einen Teil ihrer Membran aufgrund einer teilweisen Phagozytose von mit Antikörpern beschichteten Erythrozyten verloren haben.  Deshalb erscheinen die verbleibenden Erythrozyten klein und rund. Die Anzahl der Sphärozyten im Blutausstrich ist ein Maß für die Intensität der Zerstörung der Erythrozyten. In einigen Fällen kommt es zu Hämoglobinämie oder Hämoglobinurie. In einigen sehr schweren Fällen kann auch eine spontane Autoagglutination der Erythrozyten auftreten. Bei einigen Tieren kann die Anämie von einer Leukozytose (einer leukämischen Reaktion) begleitet sein, an der insbesondere Neutrophile und Thrombozyten beteiligt sind. Nicht alle Fälle von IMHA zeigen eine Gelbsucht oder entwickeln eine Hyperbilirubinämie.

Regenerationszeichen bei der Immunmediierten hämolytischen Anämie  beim Hund 

Die meisten Hunde mit immunmediierter hämolytischen Anämie zeigen innerhalb von fünf Tagen nach Eintritt der Anämie Anzeichen für eine erythroide Regeneration. Leider bleibt diese Regeneration bei 30 bis 55 % der betroffenen Hunde aus, was vermutlich auf die Zerstörung der erythroiden Vorläuferzellen durch Phagozyten im Knochenmark zurückzuführen ist. Dies wird als „Precursor-targeted immune-mediated anemia“ bezeichnet. Dieser Zustand stellt wahrscheinlich eine schwere Form der immunmediierten hämolytischen Anämie dar und ist keine eigenständige Krankheit. Dennoch scheinen Whippets, Lurcher (Windhundmischling) und Zwergdackel für diese nicht regenerative Krankheit prädisponiert zu sein. Es ist auch klar, dass das Fehlen einer regenerativen erythroiden Reaktion mit einer schlechteren Prognose verbunden ist. Die trächtigkeitsbedingte  Erkrankungsform bei Hunden kann sich nach der Geburt spontan zurückbilden.

Die Behandlung der immunmediierten hämolytischen Anämie

 umfasst

  • die Verhinderung einer weiteren Hämolyse,
  • die Behandlung der Hypoxie,
  • die Vorbeugung von Thromboembolien und
  • eine aggressive unterstützende Pflege.    

Bluttransfusionen können erforderlich sein, um einige sehr anämische Tiere zu unterstützen, bis die immunsuppressive Therapie greifen kann. Auch eine Flüssigkeitstherapie kann erforderlich sein. Die Verabreichung hoher Dosen von Glukokortikosteroiden reduziert die Erythrophagozytose durch mononukleäre Zellen und ist die wirksamste Behandlung der IgG-vermittelten Krankheit. Die behandelten Tiere können innerhalb von 24 bis 48 Stunden auf die Behandlung reagieren. Die Kortikosteroidbehandlung kann durch andere immunsuppressive Medikamente wie Azathioprin, Cyclosporin, Mycophenolatmofetil oder Leflunomid ersetzt werden, um die Nebenwirkungen zu minimieren. Eine Thromboseprophylaxe wie niedrig dosiertes Aspirin oder Heparin kann das Risiko einer Thromboembolie verringern. Eine Splenektomie sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn konservativere Therapien versagt haben, und kann bei refraktärer Klasse-III-Erkrankung helfen. Die meiste Sterblichkeit tritt innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der Erkrankung auf. Intravenöses Immunglobulin wird beim Menschen eingesetzt, wird aber nicht für die Routinebehandlung bei Hunden empfohlen. Beim Menschen umfassen die wichtigsten Behandlungsmethoden der IMHA die Unterdrückung der Autoantikörperbildung durch Glukokortikosteroide, häufig in Verbindung mit einem monoklonalen Antikörper, der gegen das auf B-Zellen exprimierte CD20 gerichtet ist (Rituximab).

Über immunologische Behandlungsverfahren sollte nachgedacht werden.

Quelle: Tizard IR (2023):  Canine IMHA in: Autoimmune Diseases in Domestic Animals, Elsevier, St. Louis, MI, 136 – 139

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