Chronisch aktive Leberentzündung (Hepatitis)
Die große Masse der Leber bedeutet, dass sie eine enorme Menge an potenziell antigenem Material enthält und daher eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der peripheren Toleranz spielt. Infolgedessen werden beispielsweise große Lebertransplantate sowohl von Menschen als auch von Hunden gut vertragen. Ihre Masse ist ausreichend, um die Toleranz aufrechtzuerhalten. Wenn die Leber jedoch geschädigt ist und intrazelluläre Antigene austreten, können sich schnell Autoimmunreaktionen entwickeln. Bei Menschen und Haustieren werden als Reaktion auf eine Leberzerstörung zahlreiche Autoantikörper gebildet. Diese Autoantikörper müssen nicht unbedingt klinisch bedeutsam sein. Sie können aber bei der Diagnose von Krankheiten oder der Bestimmung der Prognose nützlich sein.
Diese Autoantikörper lassen sich in zwei verschiedene Kategorien einteilen:
Immun-mediierte Leberentzündung (Hepatitis)
Die immunvermittelte Hepatitis beim Hund kann primär oder sekundär zu anderen Krankheiten auftreten. Die meisten Fälle von Hepatitis bei Hunden treten sekundär zu Infektionen, die durch Viren wie z. B. Adenoviren bei Hunden verursacht werden. Dies kann auch nach Vergiftungen durch Medikamente oder Toxine geschehen. In einigen Fällen kann die chronische Hepatitis jedoch mit keiner dieser Ursachen in Verbindung gebracht werden und ist wahrscheinlich durch autoimmune Reaktionen ausgelöst.
Bei Hunden, insbesondere bei weiblichen Dobermännern und English Springer Spaniels mittleren Alters, kann sich eine chronisch fortschreitende autoimmune Lebererkrankung (chronisch aktive Hepatitis) entwickeln. Bei Dobermännern ist die Krankheit mit bestimmten genetischen Komponenten verknüpft.
Die chronisch aktive Hepatitis tritt bei Hunden in der Regel im Alter von etwa acht Jahren auf, kann aber auch schon Jahre zuvor subklinisch vorhanden sein. Im Frühstadium der Erkrankung ist das auffälligste Merkmal eine Infiltration der parenchymatösen und portalen Bereiche der Leber mit mononukleären Zellen. Um die kleinen Lebervenen herum besteht eine intensive Entzündung und Fibrose.
Etwa 60 % bis 75 % der betroffenen Hunde entwickeln Antikörper gegen die Zellmembran der Leberzellen. Bei diesen Antikörper-positiven Hunden verläuft die Krankheit schwerer als bei Hunden, die keine Antikörper entwickeln. Darüber hinaus reagieren die Lymphozyten von etwa 75 % der betroffenen Hunde auf Lebermembranproteine, indem sie sich in vitro vermehren. Hepatozyten von erkrankten Hunden scheiden – im Gegensatz zu gesunden Tieren – in abnormaler Weise MHC-Klasse-II-Antigene entweder in ihrem Zytoplasma oder auf ihrer Oberfläche aus. Diese MHC-Expression korreliert mit dem Vorhandensein von Lymphozyten und dem Schweregrad der Erkrankung.
Klinische Erscheinungen bei immun-mediierter Leberentzündung des Hundes
Wie bei so vielen Autoimmunerkrankungen können Hunde viele Jahre lang an einer subklinischen Hepatitis leiden, bevor sich auch klinisch Symptome zeigen. Schließlich entwickeln die betroffenen Hunde eine Vielzahl unspezifischer Symptome wie Gewichtsverlust, Lethargie und Erbrechen. Der biochemische Nachweis erfolgt durch Untersuchungen der Leberenzyme, insbesondere der Aspartat-Transaminase und der alkalischen Phosphatase. Zielführend ist auch die Histopathologie einer Leberbiopsie. Die Anzeichen sind typisch für eine Lebererkrankung mit Anorexie, Depression, Gewichtsverlust, Diarrhö, Polydipsie, Polyurie, Ikterus und schließlich Bauchwassersucht. Der Verlust von Leberzellen führt schließlich zu einer chronisch entzündlichen Erkrankung mit Fibrose: Eine Folge kann Leberversagen und nachfolgend der Tod sein. Sobald sich ein Leberversagen entwickelt, ist die Prognose schlecht. Viele betroffene Hunde leiden gleichzeitig an anderen immunvermittelten Krankheiten wie Autoimmunhypothyreose oder immunvermittelter hämolytischer Anämie.
Diagnose und Behandlung immun-mediierter Leberentzündung des Hundes
Die Diagnose der chronischen aktiven Leberentzündung beim Hund erfolgt nach den üblichen Kriterien. Es müssen mögliche andere Ursachen für die Erkrankung ausgeschlossen werden. Im frühen subklinischen Stadium zeigen die Hunde zunächst einen Anstieg der Serum-Alanintransferase, gefolgt von einem Anstieg der alkalischen Phosphatase. Auch die hepatischen Kupferspiegel sind in subklinischen Fällen erhöht. Bleibt die Alanintransferase dauerhaft erhöht, ist eine Leberbiopsie angezeigt. Die Bilirubinwerte steigen als Letztes an, was mit der Entwicklung einer klinischen Erkrankung einhergeht. Die Leberentzündung ist gekennzeichnet durch das Vorhandensein von lymphozytären Infiltraten in der Leber, das Vorhandensein von Serum-Autoantikörpern gegen eines der wichtigsten Autoantigene und (am offensichtlichsten) eine starke Prädisposition für Dobermänner, English Springer Spaniels und insgesamt weibliche Hunde.
Die Prognose der immun-mediierten Leberentzündung bei Hunden ist nicht gut. Zu den immunsuppressiven Behandlungen, die sich als wirksam erwiesen haben, gehören Prednison/Prednisolon, Azathioprin, Cyclosporin und Mycophenolat. Es hat sich gezeigt, dass eine Kortikosteroidbehandlung die MHC-Klasse-II-Expression auf den Leberzellen signifikant reduziert. Glukokortikoide sollten aber bei Hunden mit Zirrhose, portaler Bluthochdruck oder fibrotischen Veränderungen nur mit Vorsicht eingesetzt werden.
Eine immunologische Behandlung sollte geprüft und gegebenenfalss eingeleitet werden.
Quelle: Tizard IR (2023): Autoimmune Liver diseases in: Autoimmune Diseases in Domestic Animals, Elsevier, St. Louis, MI, 161-163