Inflammatory Bowel Disease des Hundes

 Der Magen-Darm-Trakt spielt eine besondere Rolle in der Beziehung zwischen den Immunreaktionen des Körpers, des kommensalen Mikrobioms und gegenüber eindringenden Krankheitserregern. Er enthält etwa 75 % aller lymphatischen Gewebe des Körpers! Diese kommen ständig mit der enormen Vielfalt fremder Antigene in Kontakt, die sowohl aus dem Mikrobiom als auch aus der Nahrung stammen. Störungen in diesen wohlabstimmten System können zur Entwicklung der Inflammatory Bowel Disease des Hundes führen.

Der Grund ist, dass das Immunsystem des Darmes differenziert vorgehen muss: Es muss auf alles Fremde (vor allem Nahrungsbestandteile, aber zum Beispiel auch Krankheitserreger) reagieren. Dabei muss diese Reaktion wohl kalkuliert sein,  vor allem wenn keine Bedrohung vorhanden ist. Daher verfügt der Magen-Darm-Trakt über zahlreiche regulatorische und toleranzfördernde Mechanismen, die sicherstellen, dass immunvermittelte Reaktionen auf all diese Antigene entweder vollständig unterdrückt werden, wie bei den Reaktionen auf Nahrungsmittel, oder zumindest sorgfältig reguliert werden, wie bei den Reaktionen auf das Mikrobiom.

Genetische Dispositionen für chronische Magen-Darmstörungen sind bei Hunden, zum Beispiel bei Französischen Bulldoggen und Zwergdackeln, gefunden worden.

IBD und Nahrungsmittelallergene bei Hunden

Das Darmepithel besteht aus einer einzigen Schicht von Epithelzellen, die durch enge Verbindungsstellen miteinander verbunden sind. Zwischen diesen Epithelzellen befinden sich zahlreiche Lymphozyten, dendritische Zellen (DCs) und sekretorische Zellen wie mucinproduzierende Becherzellen. Regulative T-Zellen (Treg) sind in der Darmschleimhaut reichlich vorhanden, wo sie die Reaktionen auf die Mikrobiota und auf Nahrungsmittelantigene regulieren. Infolgedessen sind gesunde Tiere sehr tolerant gegenüber aufgenommenen Proteinantigenen.

Spezialisierte Antigen-aufnehmende Zellen im Darmepithel, so genannte Mikrofaltenzellen (M-Zellen), fangen Nahrungsproteine auf und liefern die Proben davon an DCs. Intestinale DCs können ihre Dendriten (Fortsätze) auch zwischen den Epithelzellen ausfahren und Nahrungsproteine aus dem Darmlumen aufnehmen. Sobald diese Proteine eingefangen sind, werden sie von den DCs zu den drainierenden mesenterialen Lymphknoten oder zu den Peyerschen Platten transportiert. Die DCs produzieren supprimierende Moleküle, die bewirken, dass sich alle reagierenden T-Zellen in Treg-Zellen differenzieren. Die Treg-Zellen in den mesenterialen Lymphknoten oral toleranter Tiere sezernieren ihrerseits unterdrückende Zytokine. Dadurch werden Immunreaktionen gegen Nahrungsmittelantigene wirksam blockiert. Intraepitheliale Lymphozyten, vor allem T-Zellen, sind ebenfalls tolerant gegenüber Nahrungsmittel- und Kommensalantigenen und spielen eine wichtige Rolle bei der Verhinderung allergischer und entzündlicher Reaktionen im gesunden Darm. Ein zweiter Mechanismus, durch den die orale Toleranz induziert wird, ist die Produktion von Tolerosomen. Dabei handelt es sich um Exosomen, die von Enterozyten ausgeschieden werden. Sie tragen MHC-Klasse-II-Moleküle auf ihrer Oberfläche und können daher Peptide binden, die aus dem Darmlumen entnommen werden. Gereinigte Tolerosomen, die an Versuchstiere verfüttert werden, lösen eine Toleranz aus. Es wird vermutet, dass die Präsentation von Nahrungsmittelantigenen durch Tolerosomen selektiv die Bildung von Tregs auslöst.

Wie andere T-Zellen sind jedoch auch die Phänotypen der Treg-Zellen plastisch. Toleranz ist ein flexibler Prozess. Sollte der Darm von Krankheitserregern befallen werden, können diese Zellen ihren Phänotyp wechseln, zu Effektorzellen werden und ihre Rolle bei der Verteidigung des Körpers spielen. Dies kann durchaus zur Entwicklung einer immunvermittelten Entzündungskrankheit führen. Solange die Eindringlinge rasch vernichtet werden, sollte diese Entzündung nur von kurzer Dauer sein. Bleibt der Erkrankungsdruck jedoch bestehen, so wird auch die entzündliche Gewebereaktion anhalten.

Das Mikrobiom und IBD bei Hunden

Eine wahrscheinliche Ursache der chronischen IBD ist die Entwicklung von Entzündungsreaktionen auf Antigene und Metaboliten, die von der intestinalen Mikrobiota produziert werden. Dieser Regulationsverlust kann durch eine Störung der Darmschleimhautbarriere ausgelöst werden, die zu einem verstärkten Zugang von Antigenen zu den lymphatischen Geweben des Darms führt. Diese Verletzung der Barriere ist wahrscheinlich das Ergebnis einer Dysbiose, einer lokalen Infektion der Schleimhaut und eines Zusammenbruchs der tight junctions zwischen den Epithelzellen. So geht beispielsweise die Entzündung bei Colitis ulcerosa beim Menschen mit stark erhöhten Werten von antikommensalem Immunglobulin (IgG) im Blutserum einher. Wenn die Integrität der Epithelbarriere beeinträchtigt ist, können normalerweise harmlose Mitglieder des Mikrobioms die Darmwand durchdringen. Dabei umgehen sie lokale Toleranzmechanismen, aktivieren Entzündungsreize und lösen Immunreaktionen aus.

Die Dysbiose, die eine IBD auslöst, kann viele Formen annehmen. Dazu gehören eine Abnahme der mikrobiellen Vielfalt oder eine Zunahme der Häufigkeit von entzündungsfördernden Keimen. In vielen Fällen ist nicht bekannt, ob diese Veränderungen die Ursache der Krankheit oder die Folge einer chronischen Entzündung sind. Es wurde vorgeschlagen, dass einige pathogene Mitglieder der Mikrobiota (Pathobionten) die Entwicklung von chronischen Veränderungen direkt vorantreiben können, indem sie lokale Entzündungen hervorrufen. Es ist möglich, dass diese Pathobionten normalerweise durch Immunglobulin (IgA) Reaktionen kontrolliert werden. Ein Versagen dieser Reaktionen könnte dann das Eindringen, die Entzündung und die Entwicklung der Krankheit ermöglichen. Interessant ist auch, dass IgA offenbar selektiv eine Untergruppe der Mikrobiota angreift. Dazu zählen diejenigen Organismen, die am stärksten entzündungsfördernd sind. Bei IBD verändert sich allerdings sich die Zusammensetzung dieser IgA-beschichteten Untergruppe.

Andere IBD-Fälle können auf einen lokalen Immundefekt zurückzuführen sein, wie z. B. ein IgA-Mangel bei Deutschen Schäferhunden. IgA dient normalerweise dazu, an viele Kommensalen zu binden und so deren Zugang zur Schleimhaut zu blockieren. Dieser Prozess des Immunausschlusses dient normalerweise dazu, Darmpathogene weit von der Schleimhautoberfläche fernzuhalten. Fehlt IgA jedoch, können mikrobielle Antigene in das Darmgewebe eindringen und so entzündliche Abwehrreaktionen hervorrufen.

Veränderungen der B-Zellen bei einer IBD-Erkrankung des Hundes

Der wichtigste schützende Antikörper, der von B-Zellen im gesunden Darm produziert wird, ist das Immunglobulin A (IgA). Dieses verhindert, dass sich potenzielle mikrobielle Eindringlinge an die Epithelzellen des Darms binden und diese durchdringen können. Bei der IBD des Menschen und wahrscheinlich auch bei Tieren ist die IgA-Produktion vermindert, während die IgG-Produktion zunimmt. Dieses Überwiegen von IgG, einem Immunglobulin, das das Komplement aktiviert, kann eine Entzündung in der Schleimhaut hervorrufen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die IgG-Bindung zur Aktivierung von Makrophagen, zur Rekrutierung von Neutrophilen und zur Auslösung von Th17-Reaktionen führt.

Antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (pANCA) wurden sowohl bei Menschen als auch bei Hunden mit chronischer Darmentzündung nachgewiesen. Bei Hunden mit nahrungsmittelbedingter Enteropathie weisen etwa zwei Drittel der Tiere pANCA auf. Bei Hunden mit IBD sind nur etwa 25 % positiv. Interessanterweise nahm die Zahl der Hunde mit IBD, die pANCA aufwiesen, nach einer Behandlung zu. Die pANCA-Titer korrelieren nicht mit den klinischen Aktivitätswerten bei Hunden, und es gibt keine Hinweise darauf, dass pANCAs beim Hund pathogen sind.

Veränderungen der T-Zellen bei der IBD des Hundes

Eine Möglichkeit zur Regulierung der T-Zellfunktionen ist die sorgfältig angewandte Apoptose, also der geplante Zelltod. Unerwünschte T-Zellen werden abgetötet, während benötigte Zellen geschützt werden. Diese Regulierung ist zum Teil für die normalerweise vorhandene Toleranz verantwortlich. Die Untersuchung der IBD-Läsionen bei Hunden deutet darauf hin, dass der Apoptoseweg fehlerhaft reguliert sein könnte.

Veränderungen der dendritischen Zellen bei der IBD des Hundes

An IBD erkrankte Hunde haben im Vergleich zu gesunden Kontrolltieren eine geringere Anzahl von DCs und Makrophagen in der Schleimhaut des Dünn- und Dickdarmes. Da einige DC-Subpopulationen immunregulatorische Funktionen haben, ist es möglich, dass auch dies zur Pathogenese der Krankheit beiträgt.

Klinische Erkrankung der IBD

IBD ist die häufigste Ursache für chronisch rezidivierenden Durchfall bei Hunden. In der Regel wird sie als IBD bezeichnet, wenn der Durchfall länger als 3 Wochen anhält. Außerdem sollte eine Schleimhautentzündung histologisch nachgewiesen werden können. Die Tiere entwickeln anhaltendes/wiederkehrendes Erbrechen und Durchfall. Damit verbunden sind sekundäre Folgen wie Gewichtsverlust, Bauchwassersucht und Anämie.

Die IBD entwickelt sich im Allgemeinen bei Tieren mittleren Alters. Selten sind junge, unter ein Jahr alte, Hunde betroffen. Das zelluläre Infiltrat in der Darmwand ist in der Regel gemischt. Zwei der offensichtlichsten Formen sind die lymphoplasmatische Enteritis und die eosinophile Enteritis oder Gastroenteritis. Indizien wie ein lymphoplasmazytisches Infiltrat, das sowohl bei Hunden als auch bei Katzen relativ häufig vorkommt, deuten darauf hin, dass es sich um einen immunvermittelten Prozess handelt. Es ist jedoch völlig unklar, ob sich eine Immunreaktion gegen die Mikrobiota, bestimmte Nahrungsmittel oder sogar gegen bisher unbekannte Autoantigene richtet.

Es ist gängige Praxis, den Schweregrad dieser Erkrankungen anhand eines klinischen Scoring-Systems zu bewerten, entweder mit dem Clinical Inflammatory Bowel Disease Activity Index (CIBDAI) oder dem Canine Chronic Enteropathy Clinical Activity Index (CCECAI). Diese bieten eine objektive Bewertung des Zustands des Tieres. Für den behandelnden Tierarzt sind sie aber nur von begrenztem prognostischen Nutzen.

Diagnose der IBD beim Hund

Die Diagnose der idiopathischen Darmerkrankung basiert in erster Linie auf der Histologie der Läsionen. Bei der Analyse von IBD-Fällen müssen unbedingt alle anderen Ursachen für eine Enteritis ausgeschlossen werden, beispielweise

 Infektionserreger,

Gifte,

Nahrungsmittelallergien oder

Parasiten wie Giadien

Die Untersuchung des Darms sollte eine Biopsie sowie eine Reihe von Blut- und anderen Laboruntersuchungen umfassen. Die Blutuntersuchungen sollten sowohl die Leukozyten- und Thrombozytenzahl als auch den Spiegel des C-reaktiven Proteins umfassen. (CRP kann bei IBD bei Hunden um das 1000-fache erhöht sein.) Der Serumalbuminspiegel kann ebenfalls nützlich sein, da eine beträchtliche Anzahl betroffener Hunde Eiweiß verliert und eine Hypoalbuminämie entwickeln kann. Fäkale Marker wie die von den Neutrophilen stammenden Proteine Calprotectin, das S100-Protein A12 und Lactoferrin können ebenfalls nützliche Daten liefern. Alle drei Proteine kommen normalerweise in den Neutrophilen vor und messen somit den Austritt von Entzündungszellen in den Darminhalt. Radiologie, Ultraschall und Endoskopie können weitere Informationen liefern, wie z. B. Hinweise auf Veränderungen der Dicke der Darmwand. Der wirklich bestätigende Beweis für eine IBD-Erkrankung ist die durch eine Biopsie gefundene entzündliche Infiltration der Dick- und Dünndarmschleimhaut.

Bei der IBD des Hundes handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit nicht um eine einzelne Krankheit, sondern um einen Krankheitskomplex. Dieser ist Folge von übermäßigen entzündlichen Prozessen im Darm. Bei den histopathologischen Merkmalen gibt es zwar Unterschiede, die zur Klassifizierung dieser Krankheiten herangezogen werden können, aber sie ermöglichen nur selten eine endgültige Identifizierung der Ursache

Vier Syndrome scheinen die IBD beim Hund die Grundlage einer IBD-Erkrankung zu sein:  lymphoplasmatische Kolitis, eosinophile Kolitis, histiozytäre ulzerative Kolitis und regionale granulomatöse Kolitis.

Diese Erkrankungen sind nicht immer auf den Dickdarm beschränkt, sondern können auch den Dünndarm oder in einigen Fällen sogar den Magen betreffen. Auch ein nahrungsmittelbedingter Durchfall kann zum Syndrom gehören. Es gibt keine offensichtliche geschlechtsspezifische Häufung für IBD bei Hunden.  Allerdings sind bestimmte Rassen eindeutig prädisponiert sind. So tritt die lymphoproliferative Enteropathie bei Basenjis, die Proteinverlust-Enteropathie und Nephropathie bei Soft-Coated Wheaten Terriern und die histiozytäre ulzerative Kolitis bei Boxern auf.

Beim Menschen werden häufig serologische Marker verwendet, und serologische Tests zur Bestimmung der Ätiologie werden zunehmend auch bei Hunden eingesetzt. So sind bei Menschen mit Colitis ulcerosa hohe Titer von pANCA zu 90 % spezifisch (wenn auch nicht sehr empfindlich). Bei Hunden wurden Enzymimmunoassays zum Nachweis von Antikörpern gegen neutrophile Granulozyten (anticanine polymorphonuclear granulocyte antibodies [APMNA]), canines Calprotectin, Gliadine und Escherichia coli outer membrane porin C (ompC) eingesetzt. Der Nachweis von pANCAs bei Hunden ist ebenfalls ein nützlicher diagnostischer Test, sofern verfügbar

Behandlung der IBD beim Hund

Da die Ätiologie dieser Krankheiten noch weitgehend unbekannt ist, konzentrieren sich die Behandlungsstrategien auf die Verringerung der Darmentzündung. In vielen Fällen kann eine Ernährungsumstellung, z. B. eine Erhöhung des Ballaststoffgehalts, die Verwendung von Probiotika oder eine Antibiotikabehandlung erfolgreich sein. Einige Fälle sprechen positiv auf immunsuppressive und entzündungshemmende Therapien an und liefern damit Indizien für eine immunologische Pathogenese. Die therapeutischen Protokolle hängen vom Schweregrad der Erkrankung ab. Im Allgemeinen umfassen sie zunächst eine Umstellung der Ernährung und gegebenenfalls die Einnahme von Prä- und Probiotika. Wenn ein Diätversuch nicht anspricht, kann sich eine immunsuppressive Steroidbehandlung anschließen.

Interessante Behandlungsergebnisse erzielt eine immunologische Therapie.

Quellen:

Tizard IR (2023) Canine Inflammatory Bowel Disease in: Autoimmune Diseases in Domestic Animals, Elsevier, St. Louis, MI, 243 – 247

Jergens AD et al (2003): A scoring index for diesease activity in canine inflammatory bowel disease, DOI: 10.1111/j.1939-1676.2003.tb02450.x  

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