Der natürlich auftretende primäre Hypoadrenokortizismus (Morbus Addison) ist eine seltene Erkrankung bei Hunden. Sie entsteht durch eine lymphozytenvermittelte Zerstörung aller Zellschichten innerhalb der Nebennierenrinde.
Mangel an Kortikoiden als Ursache des Morbus Addison
Wegen der Zerstörung in der Nebenniere leiden die betroffenen Hunde sowohl an einem Mineralokortikoid- als auch an einem Glukokortioidmangel. Der Schweregrad der Erkrankung variiert und reicht von sehr mild und subklinisch bis hin zu einem schwer betroffenen Tier, das einen Schock entwickelt. In der allgemeinen Hundepopulation wird Morbus Addison mit einer Prävalenz – also einem Vorkommen der Erkrankung bei allen Lebenden – von 0,36 % bis 0,5 % eher selten gefunden. Dagegen sind einige Rassen genetisch prädisponiert für eine Autoimmunadrenalitis mit einer Häufigkeit von 1,5 % bis 9 %. Zu den prädisponierten Rassen gehören Standardpudel, Bearded Collies, Nova Scotia Duck Tolling Retriever, Leonberger, Portugiesische Wasserhunde, Labradoodles und West Highland White Terrier. Standardpudel und Bearded Collies können eine Prävalenz von bis zu 9 % aufweisen. Die Erkrankung der Standardpudel scheint durch einen einzigen autosomal rezessiven Erbgang verursacht zu werden. Bei Nova Scotia Duck Tolling Retrievern haben einen anderen Erbgang. Dabei entwickeln homozygote Hunde(doppelte Träger der Anlage) die Krankheit in einem jüngeren Alter als heterozygote Hunde.
Betroffene Hunde entwickeln eine lymphoplasmazytische Infiltration der Nebennierenrinde. Dies führt zu einer schweren Atrophie der Schichten der Nebennierenrinde als Ergebnis einer fortschreitenden immunvermittelten Zerstörung. Alle drei Schichten der Nebenniere (Zona glomerulosa, Zona fasciculata und Zona reticularis) sind angegriffen, so dass die Dicke der Nebennierenrinde auf etwa ein Zehntel oder weniger ihrer ursprünglichen Größe reduziert ist. Die Tiere weisen einen funktionellen Mangel an Aldosteron und Cortisol auf.
Erkrankungsbild beim Morbus Addison des Hundes
Das klinische Syndrom eines tritt erst dann auf, wenn mindestens 85 % des Nebennierenrinden-gewebes zerstört sind, so dass der Kortikosteroidspiegel unter ein für die normale Funktion notwendiges Niveau fällt. Anfänglich können sich die Symptome nur in Stresssituationen bemerkbar machen. Das mittlere Erkrankungsalter der Hunde bei der Diagnose von Hypoadrenokortizismus liegt bei nur 4 bis 5 Jahren! Allerdings können auch bereits sehr junge Hunde (im Alter von 4 Wochen), aber auch alte Tiere bis zum Alter von 16 Jahren erkranken. Die Krankheit scheint vor allem bei jungen weiblichen Hunden aufzutreten. Es gibt keine pathognomonischen (direkt auf die Erkrankung hinweisenden) klinischen Anzeichen. Betroffene Tiere zeigen dagegen viele unspezifische Anzeichen. Anorexie, Lethargie, depressives Verhalten und Erbrechen sind häufig. Weitere Anzeichen sind schwacher Puls, Bradykardie, Bauchschmerzen, Durchfall, Dehydrierung, Gewichtsverlust und Unterkühlung. Infolge des übermäßigen Natrium- und Chloridverlustes entwickeln die Tiere Hypovolämie (Verminderung der zirkulierenden, also sich im Blutkreislauf befindenden Menge von Blut oder Plasma). Auch eine und Azidose, also eine Übersäuerung des Blutes wird beobachtet. Dies führt dann zu Kreislaufschock, Hyponatriämie, Hyperkaliämie und Herzrhythmusstörungen. Die Kortikosteroidspiegel im Blut sind bei diesen Tieren niedrig. Ultraschalluntersuchungen des Bauchraumes können atrophische Nebennieren zeigen. Bei einigen Hunden wird ein schubweises Auftreten der Addison-Krankheit, sogenannte Addison-Krisen, beobachtet.
Verstärktes Krankheitsbild beim Autoimmunen Polyendokrinologischen Syndrom
Ein weitergehendes Krankheitsbild wird beim sogenannten Autoimmunen Polyendokrinologischen Syndrom gesehen. Dies wird bei einer größeren Anzahl von Hunde als eine Erkrankung mit einer weiteren Endokrinopathie gesehen: z.B. Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes mellitus, Hypoparathyreodismus, Azoospermie. Beim Italienischen Greyhound scheint das Bild des autoimmunen polyendokrinologischen Syndroms deutlich vermehrt aufzutreten.
Diagnose und Behandlung des Morbus Addison beim Hund
Niedrige Serum-Cortisolwerte nach Stimulation mit adrenocorticotropem Hormon (ACTH) können als Maß für die Funktion der Nebennierenrinde herangezogen werden. Betroffene Hunde haben niedrige Ausgangswerte für das Serumcortisol und sprechen im Allgemeinen schlecht auf die ACTH-Stimulation an.
Die Behandlung ist lebenslang, da die Tiere je nach Bedarf mit Mineralocorticoiden und Glucocorticoiden ergänzt werden müssen. Die langfristige Erhaltungstherapie umfasst die Verwendung des Mineralokortikoids Desoxycorticosteronpivalat, das alle 25 bis 28 Tage verabreicht wird. Die Elektrolyte sollten gemessen werden, um die optimale Dosis und Wirkungsdauer zu bestimmen. Bei einigen Hunden kann auch eine orale Glukokortikoid-Therapie zur Erhaltung erforderlich sein.
Quelle: Tizard IR (2023): Autoimmune Adrenalitis: Autoimmune Diseases in Domestic Animals, Elsevier, St. Louis, MI, 71-74