Myasthenia gravis des Hundes

Myasthenia gravis ist ein Syndrom der neuromuskulären Übertragungsstörung. Diese ist durch eine abnorme Ermüdung und Schwäche der Skelettmuskulatur schon nach leichter Belastung gekennzeichnet. Es wurde bei Menschen, Hunden und Katzen festgestellt. Die Erkrankung resultiert aus einer Störung der Übertragung von Nervenimpulsen über die motorische Endplatte der quergestreiften Muskulatur und ist die Folge eines Mangels an Acetylcholinrezeptoren an der postsynaptischen Membran.

Krankheitsursachen bei der Myasthenia gravis des Hundes

Mysthenia gravis ist

  • entweder eine seltene angeborene Krankheit oder

es handelt sich um eine erworbene Autoimmunerkrankung bei Hunden.

So treten bei Jack Russell Terriern, Springer Spaniels und Foxterriern vererbte Defekte im Acetylcholinrezeptor auf. Diese Defekte führen zur Entwicklung eines schon um die Geburt herum bestehenden myasthenen Syndroms. Sie können durch Mutationen an vielen Stellen des neuromuskulären Signalweges entstehen. (Beim Menschen wurden mindestens 60 solcher Mutationen identifiziert.) Diese sogenannte kongenitale Myasthenia gravis ist daher eine Erkrankung sehr junger Hunde, die in den ersten Lebenswochen oder -monaten auftritt.

Bei erwachsenen Hunden ist der Mangel an Acetylcholinrezeptoren jedoch in erster Linie auf die Aktivität von Autoantikörpern zurückzuführen, die gegen den Rezeptor (AChR) gerichtet sind. Motorische Endplattenrezeptoren sind pentamere Komplexe mit fünf Untereinheiten, die einen zentralen Ionenkanal umgeben. IgG-Autoantikörper beschleunigen den Abbau der Rezeptoren, indem sie an extrazelluläre Stellen auf den a1-Untereinheiten des Rezeptors binden. Sie können die Signalübertragung auf drei Arten beeinträchtigen. Erstens können die Antikörper die AChR-Signalübertragung direkt blockieren. Zweitens können sie mehrere Rezeptoren miteinander vernetzen. Dies führt zu einer Aggregation und Internalisierung des Rezeptors, wodurch sich die Halbwertszeit des Rezeptors von 10 Tagen auf 3 Tage verringert. Drittens können die Antikörper komplementvermittelte Schäden an der postsynaptischen Membran auslösen. Infolgedessen sinkt die Zahl der funktionsfähigen Acetylcholinrezeptoren erheblich, und die Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel ist stark beeinträchtigt.

Besonders von Mysthenia gravis betroffene Hunderassen

Die Mechanismen für den Verlust der peripheren Toleranz bei Myasthenia gravis ist noch nicht endgültig geklärt. Wahrscheinlich liegt das Problem bei den CD4+-Helfer-T-Zellen, die die Entwicklung autoreaktiver B-Zell-Klone ermöglichen. Es gibt es eine rassenspezifische Veranlagung für die erworbene Krankheit: So scheinen Deutsche Doggen, Labrador Retriever, Scotch Terrier, Golden Retriever, Deutsche Schäferhunde und Dackel eine schwerere Krankheitsform zu zeigen. Bei Rottweilern scheint das Risiko dagegen gering zu sein. Es gibt eine Form der früh einsetzenden Myasthenia gravis, die bei Neufundländern auftritt und ebenfalls familiär bedingt zu sein scheint.

Klinische Erscheinungsform der Myasthenia gravis beim Hund

Die immunvermittelte Myathenia gravis kann jederzeit nach dem 6. Lebensmonat auftreten. Die Krankheit kann örtlich beschränkt oder generalisiert auftreten. Auch eine perakut verlaufende Form ist bekannt. Die Tiere können mit Schluckbeschwerden, Aufstoßen, erschwerter Atmung, hängenden Augenlidern und Kopf sowie allgemeiner Muskelschwäche auftreten. Die örtliche begrenzte Myathenia gravis tritt in etwa 40 % der Fälle bei Hunden auf und ist durch eine Schwäche in einer oder mehreren Muskelgruppen wie Gesichts-, Speiseröhren-, Kehlkopf- und Rachenmuskeln gekennzeichnet. Eine Megaösophagus- und Gesichtslähmung kann sich auch ohne Beteiligung der Gliedmaßenmuskeln entwickeln. Generalisierte Erkrankungsfälle dagegen zeigen ein breites Spektrum an klinischen Symptomen. Die Hunde entwickeln eine Muskelschwäche, insbesondere an den Beckengliedmaßen. Dies kann auch mit Gesichtslähmung und Megaösophagus einhergehen. Die generalisierte MG macht etwa 60 % der Fälle bei Hunden aus. Die perakut verlaufende Myathenia gravis MG kann zu Quadriplegie und Atemnot führen. Normalerweise werden weniger als 5 % der Fälle bei Hunden derart schnell verlaufend eingestuft. Aspirationspneumonie ist die Haupttodes-ursache bei myasthenen Hunden.

Eine paraneoplastische Form der Myathenia gravis ist mit dem Vorhandensein eines Thymoms, aber auch im Zusammenhang mit einigen anderen Krebsarten verbunden. Bei 3 bis 4 % der Hunde kann der Thymus eine gutartige Thymusveränderung oder sogar ein Thymuskarzinom mit der Erkrankung in Verbindung stehen. Bei Katzen wird sogar von fast der Hälfte der an Myasthenia gravis erkrankten Tiere gesprochen. Eine chirurgische Thymusektomie kann zu einer klinischen Besserung führen.

Diagnose der Myasthenia gravis beim Hund

Die Verdachtsdiagnose Mysthenia gravis muss immer in Erwägung gezogen werden, wenn Hunde extreme Schwäche zeigen, die sich bei einer Bewegung schnell verschlechtert. Weitere Symptome sind das Auftreten eines Megösophagus (also einer krankhaften Vergrößerung der Speiseröhre) und die Unfähgkeit Futter und Flüssigkeit abzuschlucken. Eine Schilddrüsenerkrankung sollte durch klinische Untersuchung ausgerschlossen werden. Eine Röntgenuntersuchung des Brustkorbs gibt Hinweise auf eine vorhandene Veränderung des Thymus (Thymom, Thymuskarzinom).

Um den Verdacht auf eine Erkrankung an einer Myasthenia gravis zu erhärten kann die Wirkung einer intravenösen Verabreichung eines kurz wirksamen Anticholinesterase-Medikaments wie Edrophoniumchlorid genutzt werden. Diese Applikation  kann bei vielen erkrankten Hunden zu einer schnellen, aber natürlich nur vorübergehenden Zunahme der Muskelkraft führen. Diese Anticholinesterase sorgt dafür, dass sich das Acetylcholin an der neuromuskulären Verbindung anreichert und so die verbleibenden Rezeptoren effektiver stimuliert werden können. Die endgültige Diagnose der Myasthenia gravis kann durch die Messung von Autoantikörpern in einer Laboruntersuchung erfolgen.

Behandlung der Myasthenia gravis des Hundes

Ohne eine Behandlung stirbt etwa die Hälfte der an Myasthenia gravis erkrankten Hunde nach kurzer Zeit. Bei anderen Tieren kommt es zu einer Spontanremission. Im Gegensatz zur Erkrankungsform beim Menschen können einige Fälle bei Hunden innerhalb von etwa sechs Monaten in Spontanremission gehen. Hunde mit vorübergehender oder leichter Myasthenia gravis können vorübergehend mit lang wirkenden Cholinesterasehemmern wie Pyridostigminbromid oder Neostigminbromid unterstützt werden. Ersteres wird bevorzugt, da es oral als Sirup verabreicht werden kann und eine längere Wirkungsdauer hat. Wenn das Tier Schwierigkeiten beim Schlucken hat, kann Neostigmin als Injektion verabreicht werden. Diese Medikamente hemmen die Hydrolyse von Acetylcholin und verlängern damit seine Wirkung. Sie dienen lediglich der symptomatischen Behandlung der Krankheit. Hunde mit fortschreitender Krankheit, die keine Anzeichen einer Remission zeigen, können ebenfalls von einer Immunsuppression profitieren. Dies ist insbesondere bei Tieren der Fall, die eine Langzeitbehandlung benötigen. Bei Hunden, die mit Prednison oder Azathioprin oder beidem behandelt wurden, wurde über positive klinische Reaktionen berichtet. Die Behandlung mit Kortikosteroiden kann jedoch zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der Schwäche – einer myasthenischen Krise – führen und sollte daher nicht zur Erstbehandlung eingesetzt werden. Andere Medikamente, die bei einer ausbleibenden Besserung der Krankheitserscheinungen eingesetzt werden, sind Cyclosporin, Leflunomid oder Mycophenolatmofetil. In Fällen mit einem Thymom ist eine Thymektomie erforderlich. Die unterstützende Behandlung ist von entscheidender Bedeutung, da eine Aspirationspneumonie leider eine häufige Todesursache ist. Dies insbesondere bei einem Megösophagus oder Problemen im Schlundkopfbereich.

Über immunologische Therapiemöglichkeiten muss nachgedacht werden.

Quelle: Tizard IR (2023):  Mysthenia gravis in: Autoimmune Diseases in Domestic Animals, Elsevier, St. Louis, MI, 155/158

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